Anton Bruckner musste zeit seines Lebens Konzessionen machen und seine Werke immer wieder grundlegend überarbeiten, zu sehr widersprachen vor allem seine Sinfonien dem damals vorherrschenden Musikgeschmack. Noch bei der posthumen Uraufführung der unvollendet gebliebenen Sinfonie Nr. 9 d-moll im Jahre 1903 sah sich der Dirigent und Bruckner-Schüler Ferdinand Löwe genötigt, Kürzungen vorzunehmen und Dissonanzen abzumildern. Wie radikal der Finalsatz von Bruckner gedacht war, wie weit außerhalb der kompositorischen Tradition er steht, lassen die erhaltenen Quellen immerhin erahnen. Das Konzertprogramm des Festaktes bringt die selten aufgeführten Fragmente zu Gehör und zeigt anhand von Werken von Olivier Messiaen, György Kurtág und Klaus Lang, wie wichtig Bruckner als Bezugspunkt für die Musik des 20. Jahrhunderts war und bis in die Gegenwart hinein geblieben ist. Am Pult des Oberösterreichischen Jugendsinfonieorchesters steht der junge, bereits vielfach ausgezeichnete Dirigent und Komponist Oscar Jockel, der Dirigierassistent beim französischen Ensemble intercontemporain sowie seit Dezember 2021 auch von Kirill Petrenko ist und ab der Saison 2022/23 Stipendiat der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker sein wird.
Klaus Lang (* 1971)
Neues Werk für Orchester (2022) [Uraufführung]
György Kurtág (* 1926)
Stele für großes Orchester, op. 33 (1993–94)
Olivier Messiaen (1908–1992)
Les Offrandes oubliées. Méditation symphonique für Orchester (1930)
Anton Bruckner (1824–1896)
Auszüge aus dem fragmentarischen Finalsatz der Sinfonie Nr. 9 d-moll, WAB 109 (1895–96)
Jean Ziegler | Festredner
V.I.P. – Voices in Progress
Oberösterreichischer Landesjugendchor
Oberösterreichisches Jugendsinfonieorchester
Oscar Jockel | Dirigent
Martin Traxl I Moderation
Der Weltbestseller-Autor Jean Ziegler, geboren im schweizerischen Thun, konnte als Festredner der Eröffnung des Internationalen Brucknerfestes Linz 2022 gewonnen werden. Der international bekannte Soziologe, Politiker, Sachbuch- und Romanautor gilt als einer der bedeutendsten Kapitalismus- und Globalisierungskritiker. Ziegler wurde in jungen Jahren geprägt von seiner Freundschaft mit Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Seine erster Einsatz bei der UNO im Kongo (1962–65) weckte sein Interesse für die ökonomische und politische Ausbeutung der Länder der Dritten Welt und für die modernen Formen des Klassenkampfes. Zahlreiche Bücher, die in viele Sprachen übersetzt wurden, entstanden zu diesen Themen. Warum wir weiter kämpfen müssen. Mein Leben für eine gerechtere Welt (2019), Was ist so schlimm am Kapitalismus? Antworten auf die Fragen meiner Enkelin (2021) und Die Schande Europas. Von Flüchtlingen und Menschenrechten (2022). #
Jean Ziegler war mehr als 20 Jahre Abgeordneter von Genf im Eidgenössischen Parlament (1967–83 und 1987–99) und lehrte bis Mai 2002 als Professor für Soziologie an der Universität Genf und an der Universität Sorbonne in Paris. Von 2000 bis 2008 war er der erste UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung sowie Mitglied der UNO-Task Force für humanitäre Hilfe im Irak.
Von 2008 bis 2012 gehörte Ziegler dem Beratenden Ausschuss des Menschenrechtsrates der UNO an, im September 2013 wurde er erneut in dieses Gremium gewählt. Er ist außerdem im Beirat der Bürger- und Menschenrechtsorganisation Business Crime Control. Jean Ziegler ist Träger verschiedener Ehrendoktorate und internationaler Auszeichnungen.