Die Messe e-moll ist, in Bruckners Werk wie in der Gattungsgeschichte, ein Solitär von größter Eigenständigkeit und Modernität, den eine Verbindung von Vokalpolyphonie in der Tradition Palestrinas, kühner, chromatisch erweiterter Harmonik und höchst expressivem Ausdruck prägt. Ihre Zweitfassung, die erst in Bruckners Todesjahr 1896 im Druck erschien, weist gegenüber der Erstfassung nicht weniger als 41 Änderungen auf, die meist auf eine Glättung des Periodenbaus oder die Hervorhebung einzelner Worte des Gesangstextes zielen.
Dem Werk, das die Ausführenden vor außerordentliche Schwierigkeiten stellt, widmet sich einer der besten Chöre der Welt: das Collegium Vocale Gent. Die im September 1872 in St. Florian weitgehend beendete 2. Sinfonie war das erste Werk, mit dem Bruckner sich in Wien als Sinfoniker vorstellte. Sie ist „von großer lyrischer Schönheit, Zartheit und Durchsichtigkeit der Struktur“. Ihre Revision und Kürzung bildete 1877 den Auftakt für Bruckners erste systematische Überarbeitung aller bisher komponierten und nummerierten Sinfonien sowie seiner drei großen Messen. Die Kombination beider Werke erlaubt es, hörend nachzuvollziehen, dass „in Bruckners Entwicklung die Kirchenmusik [...] als systematische Vorbereitung für die schließliche Bewältigung der Sinfonik erscheint“.
Anton Bruckner (1824–1896)
Messe (Nr. 2) e-moll für achtstimmigen gemischten Chor und Bläser, WAB 27 (2. Fassung: 1876, 1882, 1885, 1896)
– Pause –
Sinfonie Nr. 2 c-moll, WAB 102 (1873, 1876–77) „Fassung 1877“
Collegium Vocale Gent
Orchestre des Champs-Élysées
Philippe Herreweghe | Dirigent