26.03.2024

Anton Bruckners Sinfonie Nr. 3

Zum weltweit ersten Mal werden im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 2024 alle elf Sinfonien Bruckners im Originalklang zur Aufführung kommen, eine Entdeckungsreise in elf Konzerten, die als Zyklus nur im Brucknerhaus Linz und dort jeweils exklusiv in Österreich zu hören sind. 

Die Sinfonien erklingen dabei stets in ihrer Erstfassung, gespielt werden sie von elf der renommiertesten Originalklangorchester Europas unter der Leitung von elf namhaften Dirigenten. Im Interview geben sie Auskunft über ihre Sicht auf Bruckner und darüber, welche Erwartungen sie mit Blick auf dieses besondere Projekt haben.

Am 26. September präsentiert Anima Eterna Brugge unter der Leitung von Pablo Heras-Casado Anton Bruckners Sinfonie Nr. 3 d-moll, WAB 103 (1872–73) „Fassung 1873“ sowie Werke von Richard Wagner.

 

Pablo Heras-Casado  im Interview 

 

Jan David Schmitz: Wieso eigentlich Bruckner im Originalklang?

Pablo Heras-Casado: Wenn man den originalen Klang der Werke von Anton Bruckner wiederentdecken möchte und damit zugleich die spezifischen Qualitäten, die dem gewaltigen Orchesterapparat und der sinfonischen Struktur innewohnen, ist es unerlässlich, sie mit historischen Instrumenten aufzuführen. Es ist eine regelrechte Offenbarung, die Qualität dieser Instrumente in Bezug auf Farbe und Verschmelzung zwischen den verschiedenen Stimmgruppen zu hören. Ebenso bemerkenswert sind die Sanglichkeit des Tones der jeweiligen Instrumente und die Transparenz der Textur.

JDS: Worin liegen aus Ihrer Sicht die größten Unterschiede zwischen der Aufführung einer Bruckner-Sinfonie auf historischen im Vergleich zu modernen Instrumenten?

PHC: Ich denke, der größte Unterschied besteht gerade in der Möglichkeit, neue Farben und Texturen zu entdecken, wenn man den ganz anderen Gesamtklang eines Orchesters mit Instrumenten des 19. Jahrhunderts hört, der sich wiederum aus den veränderten klanglichen Mischverhältnissen zwischen den einzelnen Stimmgruppen ergibt. Dies eröffnet einen neuen Zugang zur Orchesterrhetorik und auch zur Gestaltung der melodischen Linien.

JDS: Weshalb hat die historische Aufführungspraxis gerade um Bruckners Sinfonien so lange einen großen Bogen gemacht?

PHC: Wahrscheinlich, weil sie im 20. Jahrhundert zum Kernrepertoire moderner Sinfonieorchester gehörten. Die historische Aufführungspraxis begann bekanntlich mit Musik des 16. und 17. Jahrhunderts und arbeitete sich dann nach und nach bis zur Klassik und Frühromantik vor. Erst in den letzten Jahren werden Werke von Richard Wagner oder Bruckner und sogar von Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts durch die Verwendung von historischen Instrumenten in ein neues Licht gerückt. Im Fall von Bruckner ist es wirklich faszinierend und aufschlussreich, seine Musik endlich im Originalklang zu hören.

JDS: Wie wird der Einsatz des historischen Instrumentariums unser Bruckner-Bild verändern?

PHC: Die Schwere und auch das übermäßige Pathos, die oft mit Bruckners Musik assoziiert werden, sind mit dem historischen Instrumentarium kaum zu erreichen. Daher auch die Durchhörbarkeit des kompositorischen Satzes, die gar nicht im Widerspruch zur Tiefe und zum Charakter der Musik steht. Ich bin sicher, das Publikum wird von der großen Vielfalt an Farben und Texturen sowohl überrascht als auch fasziniert sein. Die Transparenz und Intimität, die Bruckners Musik mit historischen Instrumenten erreichen kann, ist wirklich atemberaubend.

JDS: Warum die ‚Dritte‘ in der „Fassung 1873“? Was fasziniert Sie an diesem Werk?

PHC: Die ‚Dritte‘ wird oft als Bruckners erste reife Sinfonie angesehen. Obwohl ihre Uraufführung in Wien 1877 ein Debakel wurde, war Bruckner zutiefst stolz auf das Werk. Die Geschichte der Urfassung von 1873 ist mit Wagner verbunden, dem Bruckner, der ihn glühend verehrte, seine ‚Zweite‘ und die ‚Dritte‘ präsentierte. Wagner lobte speziell die ‚Dritte‘, was sie wohl zu Bruckners ‚wagnerianischster‘ Komposition macht. Die Sinfonie enthält Anspielungen auf Wagner-Werke wie Tristan und Isolde und Tannhäuser, die jedoch in den späteren Fassungen verschwinden. Die Sinfonie erfuhr zahlreiche Überarbeitungen, aber die Urfassung, die Wagner so sehr schätzte, hat eine einzigartige Bedeutung.

 

Pablo Heras-Casado © Harmonia MundiI Javier Salas
Pablo Heras-Casado © Harmonia MundiI Javier Salas
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